Zusammenfassung
Im folgenden Artikel wird die Psychotherapie einer jungen Patientin mit einer komplexen
emotional-instabilen Symptomatik vorgestellt. Anlass für die Behandlung war ihre Vorstellung
zum Alkoholentzug in einer psychiatrischen Klinik. Neben einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
war sie auch schwer alkoholabhängig, erfüllte die Kriterien für eine Double Depression
mit schwerer depressiver Episode und wies eine atypische Bulimie auf. Nach der Schilderung
ihrer lebensgeschichtlichen Entwicklung werden Überlegungen zur Entstehung und Aufrechterhaltung
ihrer Symptomatik unter Rückgriff auf verhaltenstherapeutische, systemische, tiefenpsychologische
und neurophysiologische Modelle angestellt. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung
markanter Elemente und Probleme des Behandlungsprozesses. Abschließend werden einige
grundlegende Überlegungen zum Therapieprozess skizziert.
Schlüsselwörter
Borderline-Persönlichkeitsstörung - Alkoholsucht - Depression - Bulimie - Selbstverletzung
- Schuldgefühle
Literatur
- 1 Berg I K, Miller S D. Kurzzeittherapie bei Alkoholproblemen: Ein lösungsorientierter
Ansatz. Heidelberg; Carl-Auer-Systeme 2004
- 2 Bohus M. Borderline-Störung. Göttingen; Hogrefe 2002
- 3 Grawe K. Neuropsychotherapie. Göttingen; Hogrefe 2004
- 4 Schweitzer J, Schlippe A von. Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II:
Das störungsspezifische Wissen. Göttingen; Vandenhoeck und Ruprecht 2006
- 5
Selvini-Palazzoli M, Boscolo L, Cecchin G, Prata G.
Hypothetisieren - Zirkularität - Neutralität: Drei Richtlinien für den Leiter der
Sitzung.
Familiendynamik.
1981;
6 (2)
123-139
1 Interessanterweise ist „schlecht gehen” bei der kleinen Schwester in Form einer eindrücklichen
rituellen Verhaltensweise symbolisiert: kleine tägliche Verletzungen der eigenen Haut
(mit Insulinspritzen). Inwieweit dies im Sinne eines Modells eine Rolle bei der Entstehung
des „Ritzens” (= „auch mir geht es schlecht, auch ich brauche Aufmerksamkeit”) bei
der Patientin gespielt hat, bleibt jedoch spekulativ.
2 Die „Alkoholvorfälle” standen in Zusammenhang damit, dass Frau R. in der Klinik einen
abstinenzunwilligen Polytoxpatienten kennengelernt hatte und für einige Wochen eine
wechselhafte hochemotionale intime Beziehung zu ihm unterhielt.
3 Beispiel für Annahme der Mutter: „Ich wende mich von meiner Tochter ab, weil sie
sich extrem verhält, um mich zu provozieren.”
3 Beispiel für Annahme der Patientin: „Ich verhalte mich extrem, weil ich es nicht
aushalte, dass meine Mutter sich von mir abwendet.”
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Dipl.-Psych. Stefan Junker
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